Einige Zeit ist seit meiner letzten Eintragung vergangen, das liegt hauptsächlich daran, dass es im Büro ziemlich stressig war und ich auch zu Hause keine Zeit zum Schreiben fand.
Da unser Mietvertrag Mitte Jänner ausläuft und sich auch der Landlord etwas ziert, diesen zu verlängern, sind wir wieder einmal auf Wohnungssuche. Für gestern abend waren sechs Wohnungsbesichtigungen angesetzt, der Immobilienmakler rief mich pünktlichst um 17 Uhr an, um mir mitzuteilen, dass er bereits in der Eingangshalle unserers Bürogebäudes auf mich wartet. Ebenso wartete bereits meine Freundin, die sich erbötig erwies, mit mir gemeinsam Wohnungen zu besichtigen, in eben dieser Halle auf mich. Nach einer kurzen Begrüßung marschierten wir also im Gänsemarsch – vorne der Makler, meine Freundin und ich hinterdrein – raus. Die erste Wohnung befand sich in unmittelbarer Gehnähe zu meinem Büro, wie auch die Wohnung, die wir zur Zeit bewohnen, lediglich auf der anderen Seite unseres Bürogebäudes. Der Security Guard überreichte dem Makler den Wohnungsschlüssel und wir gingen schnurstraks hinter diesem her, wir folgten ihm in einen eher dunklen, aber sauberen Hauseingang. Mit dem Lift ging´s in den 7. Stock und der Makler öffnete die Wohnungstür. Das erste, was wir beide gleichzeitig sagten, war „wow“. Diese Wohnung war hell und freundlich, hatte zur Abwechslung keine Gitter vor den Fenstern und war sehr sympathisch eingerichtet. Wir drehten eine kurze Runde und besichtigten noch die restlichen Zimmer und stellten dann einhellig fest: Ja, die nehmen wir! Alles natürlich auf Deutsch, damit uns der Makler nicht verstehen kann. Schnell noch ein paar Fotos geschossen und auf zum nächsten Abenteuer. Die nun folgenden Wohnungen waren tatsächlich ein Abenteuer. Zur ersten mussten wir einen Fußmarsch von ca. 10-15 Minuten über uns ergehen lassen. Diese Wohnung war finster und unsympathisch, ziemlich angeräumt, so dass wir uns dort nicht recht lange aufhielten und munter zur dritten Wohnung weiter wanderten. Diese befand sich auf der MinQuan East Road, Sec. 3, eine der befahrensten Straßen Taipeis, in unmittelbarer Nähe zum lokalen Songshan Flughafen. Auch hier ging es wieder hoch hinauf, in den sechsten Stock. Wir wurden gleich von einer Horde Taiwanesinnen begrüßt und schnell merkten wir, wer hier der Landlord war. Es handelte sich um eine Dame mittleren Alters, die ständig versuchte, ihr imitiertes amerikanisches Englisch in den Vordergrund zu stellen. Sie fegte wie die Ahnfrau durch die Wohnung, die allerdings derart angeräumt und verbaut war, dass man kaum gehen konnte. Dann ließ sie sich im japanischen Zimmer nieder. Das japanische Zimmer bestand aus einem Holzboden und einem Tisch in der Mitte, den man in den Boden versenken konnte, wenn man einen Knopf bediente. Sie war ganz stolz auf ihre Vorführung und dachte, wir wären jetzt total beeindruckt. In Wahrheit war uns entsetzlich heiß, denn es hatte locker 35 Grad in dieser Wohnung. Klar, im November ist ja offiziell kein Sommer mehr in Taiwan, daher wird auch die Klimaanlage nicht mehr eingeschaltet, auch wenn es draußen über 30 Grad hat. Als wir uns immer noch nicht so begeistert zeigten, versuchte die Dame es mit Annäherungsversuchen, indem sie mich ständig anfasste und angriff, ständig ein Grinsen auf den rot geschminkten Lippen: You are soooo nice! Ja, danke, ich weiß es, herzlichen Dank. Ich wollte nur noch raus, meiner Freundin erging es genau so.
Danach ging es – oh Wunder! – mit dem Taxi zum nächsten Objekt. Ach ja, bevor wir die vorher erwähnte Wohnung verließen, meinten die Taiwanesen noch, sie könnten sich über uns in Chinesisch unterhalten, denn die dummen, weißen Ausländer verstehen sowieso nichts. Aber als meine Freundin dann zu erkennen gab, dass wir sehr wohl alles verstehen würden, was hier so vor sich geht, schwenkten sie auf einmal auf Taiyu = Taiwanesisch um. Ich dachte ja, der Makler hätte das nun kapiert und würde sich beim nächsten Landlord zusammenreißen. Aber nichts dergleichen, auch mit den nächsten und mit dem übernächsten sprach er frei und frank über uns. Mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt. Nach eineinhalb Stunden mühseligen Herumfahrens wurden wir echt hungrig. Eigentlich hatten wir nach der fünften Wohnung keine Lust mehr auf ein weiteres Besichtigungsabenteuer, aber da die angekündigte Wohnung im Xinyi District, nahe des 101, gelegen war und wir ja schon ziemlich großen Hunger hatten, entschieden wir uns für ein „Ja“ auf die Frage des Maklers, ob wir denn noch Lust hätten, eine weitere Wohnung zu sehen. Diese Wohnung ist allerdings erwähnenswert, da sie im 13. Stock eines Hochhauses situiert ist, sogar mit einem kleinen Balkon, von dem aus man einen herrlichen Panoramablick hat. Wäre ich ledig und ohne Kinder, hätte ich die Wohnung wahrscheinlich sofort genommen, auch auf die Gefahr, jeden Tag mindestens eine dreiviertel Stunde ins Büro unterwegs zu sein. Sogar ein Garagenplatz in der Tiefgarage war in der Miete inkludiert. Nach dieser letzten Besichtigung ging es in den 101, wo wir uns ein feines Abendessen nach diesen anstrengenden Stunden gönnten.